Justinus Kerner

Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Die Prälaturgänge und die Klosterkutsche mit dem Prälaten Weiland


Unheimlicher als in den Kreuzgängen war es mir in den Gängen der Prälatur, und ich wollte nächtlich nur ungern Bestellungen dahin bringen; denn wenn ich mir in den Kreuzgängen die Erscheinung eines Abtes oder Mönches gewünscht hätte, so wäre mir die Erscheinung eines Herrn Prälaten und einer Frau Prälatin der neuen Zeit in den Gängen der Prälatur doch sehr unheimlich gewesen.

Matthias, unser Kutscher, ließ es sich auch nicht nehmen, es gehe in diesen Gängen der verstorbene Prälat Weiland, und er sei ihm einmal bei einer nächtlichen Sendung in die Prälatur begegnet, wie er in einem weißen Fracke mit schwarzen Bärtchen an ihm die Treppe herabgestiegen sei und sich darin unten in die Prälaturkutsche gesetzt habe. Diese alte Prälaturkutsche, die unten in einem Seitengewölbe verwahrt wurde, war für uns Kinder sehr merkwürdig. Sie erbte sich von Prälat auf Prälat, hatte die Größe eines kleinen Gartenhauses, und ich meinte, es könnte wohl schon Abt Entenfuß mit Dr. Faust in ihr gefahren sein. Sie wurde nur ein paarmal des Jahrs herausgezogen, wenn der Prälat auf den Landtag nach Stuttgart fuhr oder dem katholischen Prälaten zu Bruchsal einen Besuch abstattete, wozu er jedes Jahr einmal das Recht hatte. Die übrige Zeit war sie der Aufenthalt von Fledermäusen und Katzen, besonders einer alten, schwarzen Katze ohne Schwanz, die ich oft aus ihr schleichen sah.

Ging eine solche Fahrt an, so wurde dies Gartenhaus mit vier Pferden bespannt, die dazu vom Klostermüller geliefert werden mußten.

Diesen voran ritt ein Vorreiter, für den auch von langen Jahren her eine Livree in Bereitschaft war, in die er sich stecken mußte, war er klein oder groß, dürr oder dick, was den Zuschauern oft einen possierlichen Anblick verschaffte.

Jener Prälat Weiland, den Matthias gesehen haben wollte, wie er sich als Gespenst in die Prälatenkutsche setzte, hatte sich zu seinem jährlichen Besuche des Prälaten von Bruchsal eine eigene Kleidung machen lassen, und zwar, wie sie Matthias am Gespenste gesehen haben wollte, einen weißen Frack mit schwarzen Borten (wohl auf die ehemalige Tracht der Zisterzienser deutend).

Als das Kleid fertig war, befiel ihn eine Krankheit, und er konnte in demselben nicht mehr die Prälatenkutsche besteigen. Er ließ sich nun das Kleid an sein Bett aufhängen, so daß er es immer im Auge haben konnte, und mit innigem Lächeln hielt er seine Augen, auch als sie schon im Tode brachen, noch fest auf das Kleid gerichtet, bis er verschied. Sein Gehen nach dem Tode in jenem Kleide nach der Prälaturkutsche fände in dieser letzten Szene seines Lebens eine Erklärung.