Justinus Kerner

Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit
Die Camera obscura im Mondenscheine


Der Vater meiner Freunde Burnitz war Schloßkastellan und hatte seine Wohnung im Corps de Logis des Schlosses, nicht weit von den Zimmern, in denen man den Herzog Carl Alexander eines unnatürlichen Todes sterben ließ, und auch nicht weit von der fürstlichen Gruft. Es war diese Gegend des Schlosses, wie ich schon erwähnte, noch zu Zeiten des Herzogs Ludwig der Platz unserer kindischen, kriegerischen Spiele. Er hatte auch durch seine Stille und durch seine Geistersagen etwas Mysteriöses, Poetisches (das ihm wohl in neuerer Zeit durch die Einlogierung der Kreisregierung genommen worden sein mag). Auch damals wurde ich oft durch meine Freunde Burnitz dahingezogen. Sie hatten eine große, tragbare Camera obscura, die da unser Lieblingsspiel war. Es war am Corps de Logis ein Plateau, das in die Gegend von Marbach und an das sogenannte Favoritenwäldchen mit seinem Schlößchen sah. Auf dieses trugen wir gemeiniglich die Camera obscura und unterhielten uns mit den Bildern, dem Favoritschlößchen, der Emichsburg und den Steinbildern auf den Dächern des Schlosses, die sich ihr präsentierten. Einmal glaubten wir, es könne dies auch im Mondenscheine geschehen und würde da noch wundersamer sein. Nicht ohne Zagen trugen wir daher einmal die Camera obscura in die Mondnacht hinaus und setzten sie auf das Plateau des Schlosses, nicht weit von der Gruft. Wir wagten lange nicht hineinzusehen, faßten aber endlich den Mut, lüfteten den Vorhang und sahen hinein; aber in demselben Augenblicke packte uns ein Schauer, wir ergriffen die Flucht, und jeder meinte etwas Entsetzliches gesehen zu haben.